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Story
Text Herr Yoshimoto; Bilder: Liu Tong
„Wir“ – ja, wir sind zu zweit auf dieser Reise. Mein Partner ist Herr Liu Tong, ein guter Freund. Wir sind früher bereits gemeinsam in seiner Heimatstadt Toyama gefahren. Außerdem in Tokio und Kopenhagen. Da Herr Liu Tong Fotograf ist, hält er unsere Reise mit seiner Kamera fest. Die Erinnerungen daran werden uns für immer begleiten. Reisen und Fotografieren gehören eben untrennbar zusammen.
Die 70 km lange Route, die Onomichi in der Präfektur Hiroshima und Imabari in der Präfektur Ehime verbindet, die durch das Seto-Binnenmeer getrennt liegen, ist mit ihren sechs Brücken Japans erster Fahrradweg, der eine Meerenge überquert. An den Wochenenden trifft man hier meist auf Scharen von Radfahrern. Wir sind jedoch an einem Wochentag hier, und – möglicherweise aufgrund von Covid-19 – sind die Straßen leer.
Auf den Straßen sind blaue Linien mit den Zielangaben aufgemalt. Allerdings kann man auch ohne Straßenkarte nach Imabari fahren. Da die PKW-Dichte hier sehr gering ist, kann man hier ganz entspannt Radfahren. Als wir die Gipfel überqueren unterhalten wir uns zwanglos über Fahrräder und bewundern von den Brücken aus, die diese Inseln miteinander verbinden, die spektakuläre Aussicht auf die Küstenlandschaft und das Seto-Binnenmeer.
In den Ebenen fahren wir teilweise mit 30 km/h. Nicht gerade langsam. Wir halten ein paar Mal an, um uns einen Kaffee zu besorgen oder Aufnahmen von besonderen Orten zu machen. Die Zeit vergeht wie im Flug. Beim Rennradfahren, wo Geschwindigkeit oft gleichbedeutend mit Vergnügen ist, ist Anhalten unerwünscht. Aber andererseits stehen wir bei unserer Reise auch nicht unter Zeitdruck. Wenn es mal mühsam wird, kann man es auch langsamer angehen. Man kann einfach anhalten und die wunderschöne Landschaft genießen.
Auf der letzten Brücke vor der Insel Shikoku, die Kurushima Kaikyo-Brücke, weichen wir ein wenig von der Route ab und fahren zum Berg Kameoi.
Auf Shikoku erstreckt sich das Shikoku-Gebirge mit Gipfeln von rund 2000 m über dem Meeresspiegel über die Mitte der Insel. Als wir von der Stadt in die Vororte fahren, kommen wir allmählich der grünen Wand immer näher und erreichen schließlich die Berge.
Der Höhepunkt des Tages ist die Kamigamori-cho-Straße, auch bekannt als UFO-Line. Eine asphaltierte Waldstraße, die über den Kamm der Shikoku-Berge führt, ein 27 km Anstieg mit einer maximalen Höhe von 1680 m. Bevor wir zur Zufahrt der Kamigamori-cho-Straße kamen, stiegen wir über eine Strecke von 15 km auf etwa 1000 m Höhe.
„Gehen wir es lieber langsam an“, meinte Herr Liu zu mir, der über die besseren Beine verfügte. Er passte sich meiner Geschwindigkeit an. Ich fuhr so langsam wie eine Schildkröte. Jedes Mal, wenn er etwas schneller voraus fuhr, hielt er an und wartete auf mich. Ich schätze diese „Angemessenheit“. Wenn man Angst hat, beim Aufstieg nicht mithalten zu können, tut es einem ständig leid, zu langsam zu sein. Aber durch die kleinen Unterbrechungen, die Herr Liu einlegte, hatten wir Zeit, uns die Gegend in Ruhe anzusehen.
Im zentralen Teil von Shikoku schwindet die Bevölkerung. Obwohl wir auf einer Nationalstraße unterwegs sind, sind nur wenige Autos zu sehen. Keine großen Städte. Nur die Straße führt immer weiter. Wir haben nur die grünen Berge vor, und den blauen Himmel über uns. Und natürlich die Straße.
Das Rauschen der Flüsse und die kleinen, rustikalen Dörfer, durch die wir hin und wieder fahren, wirken sehr verträumt und nostalgisch. Ein Raum, in dem Eile nichts verloren hat, macht den Kopf frei. Wie der Osten von Shikoku, den ich früher schon einmal besucht hatte. Ein sehr abgelegener, ruhiger Ort, mit einer leicht melancholischen Atmosphäre und Stimmung. Es ist der reine Luxus.
Am Tag nach der Fahrt auf der UFO-Strecke fuhren wir zum Shikoku-Karst. Dabei handelt es sich um ein Karstplateau, das sich 25 km weit von Ost nach West auf einem Bergrücken in einer Höhe von 1000-1500 m entlang der Grenze zwischen den Präfekturen Ehime und Kochi erstreckt. Der Aufstieg dorthin ist ungefähr 11 km lang und 800 m hoch, aber er war schwieriger als der Anstieg auf der UFO-Strecke, da meine Beine vom Vortag noch recht erschöpft waren.
Die Präfekturstraße Nr. 383 wird auch „The Road In the Sky“ genannt. Diese wunderbare Straße stellt das Ende des Anstiegs dar. Kühe grasen auf den Weiden, die mit weißem, felsigem Kalkstein übersät sind, der so charakteristisch für Karst ist. So weit das Auge reicht blickt man auf idyllische Landschaften. Es erinnert mich an die Plateaus in der Schweiz oder in Irland.
Der starke Wind beim Abstieg drückt sich gegen mich. Eine unbekannte Straße zu befahren, die Freude, die man beim Anblick neuer Landschaften verspürt. Das alles lässt das Herz in der Brust springen. Das geht mir auf allen Reisen so, nicht nur bei Radfahrten. Aber beim Radfahren wirkt dieses Gefühl durch das repetitiven Treten der Pedale noch stärker. Nachdem wir uns vom Shikoku-Karst verabschiedet hatten, sind es noch etwa 50 km bis zum Koyabu-Onsen, wo wir den Rest des Tages verbringen. Es ging nur bergab, und obwohl meine Beine eigentlich erschöpft sein sollten, fühlten sich die Pedale ganz leicht an.
Das letzte Stück der Reise fuhren wir nach Nordwesten, entlang des Seto-Binnenmeeres in Richtung Takamatsu City.
Ich stopfte einen Gaskocher, Kaffeebohnen und einen Filter in die Sitztasche. Ich wollte Herrn Liu zu einer Tasse Kaffee einladen. Aus Dank für seine Hilfe beim Anstieg.
Wir hielten am Strand von Innoshima, in der Nähe von Onomichi. Den Kaffee habe ich am Strand gekocht. Herr Liu lächelte: „Einfach nur köstlich!“ Seine Freundlichkeit tat sogar meinen von Muskelkater gezeichneten Beinen gut.
Radfahren allein kann Spaß machen. Allerdings kann eine Tour mit einem guten Freund schwere Zeiten erleichtern und die guten Strecken noch besser machen.
Das war mir zwar bereits vor Shikoku bewusst, aber während der Reise wurde mir klar, dass weder Radfahren noch das Leben an sich allein Spaß macht. Und während wir gemeinsam beim Anblick der sanften Wellen des Seto-Binnenmeeres unseren Kaffee tranken, schmeckte er sogar ein wenig süßer als sonst.